Stilecht gotisch, mit hohem Walmdach, auf einem Hügel inmitten von Weinreben, im warmen Sonnenlicht erstrahlend, entstand Schloss Englar um 1441.
Der Beobachtungsturm aus dem späten Mittelalter auf festem Porphyrfels, in sicherer Position mit weitem Blick über das Tal überzeugte die Überetscher Adelsfamilie Firmian den Ort für gut zu befinden, eine wehrhafte Burg als unnötig zu betrachten und einen vornehmen Herrschaftssitz zu gründen.
Zeitgleich mit dem Bau des standesgemäßen Schlosses wurde zur geistigen Erbauung und Segnung auch die Hauskirche St. Sebastian errichtet.
Von 1621 bis heute - also 400 und 1 Jahr – bewohnen, bewirtschaften und beleben die Grafen von Khuen-Belasi mit Stil, Enthusiasmus und Kreativität das Schloss und den dazugehörenden Gutshof.
Geniale Köpfe der Familie in exponierten Positionen beeinflussten und gestalteten die Geschicke des Landes Tirol mit großem Idealismus.
Rainer Maria Rilke schätzte den Freigeist und die Romantik des Hauses und seiner inspirierenden Umgebung und war ab 1895 regelmäßig Gast in Englar.
Nach den Wirren des Krieges wäre das Schloss fast verloren gegangen und hatte viel von seiner Bewohnbarkeit eingebüßt.
Aber nicht umsonst hat die Grafenfamilie Turm und Löwen als Wappenbild - mit Kühnheit, Mut und Offenheit haben sie das Haus erhalten.
Heute ist das Schloss schöner denn je und herzlich offen für Gäste und Neues mit der Beständigkeit, Sicherheit und Weitsicht von Jahrhunderten.
Aufregung in Schloss Englar – Das erste Automobil
Als immer wiederkehrender Gast in Schloss Englar verursachte Otto Julius Bierbaum einige Aufregung als er 1902 mit seinem Automobil erschien.
Nannerl, ein Mädchen aus einer einfachen kinderreichen Familie aus dem Ort, die als erste den Mut hatte in das Auto einzusteigen und auch eine Runde mitzufahren erzählt es so:
"Wir Kinder haben den Otto Julius Bierbaum schon gekannt. Wie er dann das erste Mal mit dem Auto gekommen ist, sind wir alle hingerannt, schon von weitem war die Staubwolke zu sehen und ein Höllenspektakel zu hören. Von uns hatte ja noch nie jemand zuvor ein Auto gesehen." Der Otto Julius Bierbaum hat gelacht, als wir uns hinter dem Stadl versteckt haben.
Er hat uns her gewunken und wir haben uns das Gefährt von allen Seiten genau angeschaut, wie er aber gefragt hat, wer einmal mitfahren möchte, hat sich keiner getraut.
Wenn ich's dir sage: mich allein hat er dann persönlich gefragt: "Nannele, fährst du mit mir?"
Ich habe nur den Kopf geschüttelt. Er aber hat weitergeredet: "Wenn du mitfährst, bekommst du ein neues Kleid, Schuhe, Strümpfe, alles was dazu gehört." Das hat gezogen! Noch nie habe ich ein neues Kleid bekommen! Daran war gar nicht zu denken! Ich habe an das neue Gewand gedacht und bin hinein geklettert in das Auto. Der Otto Julius Bierbaum hat vorn am Auto gedreht und auf einmal hat es angefangen zu knattern, er ist ins Auto gesprungen und alles hat gewackelt und gezittert und mit einem Ruck ist es angefahren.
Ich habe so Angst bekommen, dass ich herausgehüpft bin, direkt in eine Rosenhecke.
Aber der Otto Julius Bierbaum hat mir gut zugeredet, da bin ich halt wieder eingestiegen in das Auto. Angst habe ich immer noch gehabt. Und überall wo wir hingekommen sind, sind die Leute auf die Seite gesprungen und haben sich bekreuzigt.
Dann hat es mir aber doch ganz gut gefallen, das Autofahren. Wir sind bis auf die Kaltererhöh hinauf. Zurück auf dem Dorfplatz haben wir gehalten und sind in ein Geschäft gegangen und ich habe mir den Stoff für mein neues Kleid aussuchen dürfen und auch einen Unterrock und feine Spitze dazu.
Beim Schloß Englar angekommen, habe ich mein Päckchen genommen und bin nach Hause gerannt.
Autofahren hat mir sehr gut gefallen und ich durfte auch noch öfter mit dem Otto Julius Bierbaum mit fahren. Die Mutter hat mir aus dem Stoff ein neues Kleid nur für mich genäht und ich habe es immer Sonntags angezogen.
1903 erschien das Reisebuch „Eine empfindsame Reise im Automobil“ von Otto Julius Bierbaum – deutscher Journalist, Redakteur und Schriftsteller von 1865-1910. Es gilt als das erste deutsche Autoreisebuch der deutschen Literatur.
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